Ein Indianer kennt keinen Schmerz? Selbstmord ist der größte Killer für Männer unter 35 Jahren. 76% aller Selbstmorde sind männlich. 95% der Gefängnispopulation sind Männer. Dabei sind Jungs und junge Männer selbst häufige Opfer von Gewalt und (sexuellem) Missbrauch. 73% aller Erwachsenen, die verschwinden, sind Männer. 87% aller Obdachlosen sind Männer. Jungen haben in der Schule schlechtere Noten als Mädchen. Doch weiterhin ist die sogenannte ‚männliche Einsamkeit‘ eine still schleichende Epidemie, denn unser männliches Selbstwertgefühl wird zum großen Teil von Leistung und Erfolg bestimmt: Wir entwickeln unsere je eigene Strategie, damit „klar zu kommen“: wir orientieren uns auf äußeres Handeln, wir verstummen, werden einsame Wölfe, ignorieren bzw. überfordern unse-ren Körper und zwingen uns, immer sachlich und rational zu bleiben. Wenn es gar nicht mehr auszuhalten ist, werden wir womöglich gewalttätig oder begehen Selbstmord…
So haben wir Männer dies von Kind auf gelernt. In den ersten Jahren erlebten wir uns als Junge in den Augen unserer Mutter. Doch während der notwendigen Ablösung von ihr lernten wir oft nur, was wir nicht sind. Doch bedeutet „Mann sein“ nur „keine Frau zu sein“? Wie sieht ein eigenständiges Männerbild aus? Wie sieht meine persönliche Identität als Mann aus, die sich nicht an Filmhelden und Werbung orientiert, sondern die sich zutiefst auf meine ei-genen Impulse bezieht? Vielen Jungen fehlt immer noch das Vorbild des Vaters, das uns in die Welt hinaus begleitet.
So haben wir einstudiert, Hilflosigkeit, Überforderung und Ängste als unmännlich zu empfinden. Wir erleben das als ‚inneres Scheitern‘ und befürchten unser Gesicht, d.h. unser Selbstwertgefühl, zu verlieren. Stattdessen gehen wir hart mit uns ins Gericht. Wir kämpfen noch verbissener, noch härter. Wir strengen uns noch mehr an, bringen noch mehr Leistung. Wir merken zumeist nicht, dass wir so nur die Ansprüche anderer an uns erfüllen und überfordern uns immer wieder aufs Neue… und ignorieren körperliche Warnsignale. Die Folgen sind u.a. Kopf- und Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfälle, Magen- und Darmprobleme, Herz- und Kreislaufprobleme, Atembeschwerden oder Schlaganfälle. Unsere Psyche reagiert mit starker Unruhe, Gereiztheit, Schlafstörungen, Depressivität und vielen weiteren Symptomen bis hin zu Burnout und Erschöpfung oder andauernden Konflikten in Beziehungen und am Arbeitsplatz. Meist ignorieren wir die Probleme und versuchen, sie weiterhin auszuhalten. Manche Männer betäuben ihre Gefühle der Hilf- und Machtlo-sigkeit mithilfe von Sex, Alkohol, Drogen oder Gewalt. Sie sehen zu, wie ihre Beziehung mit der Partnerin oder dem Partner immer öder und unbefriedigender wird. Bedürfnisse bleiben unausgesprochen und ungelebt, Konflikte bleiben ungelöst und die Partner leben sich auseinander bzw. gehen getrennte Wege. Männer sind dabei mit einem sehr grundlegenden Dilemma konfrontiert: Wir sollen stark und unerschütterlich sein – zugleich sollen wir die Gefühle und Bedürfnisse unseres Partners oder unserer Partnerin wahrnehmen und verstehen.
Doch wie sollten wir dazu in der Lage sein, wenn wir seit Kindertagen den Zugang zu unserer eigenen Gefühlswelt und zu unseren eigentlichen Bedürfnis-sen verleugnet haben – womöglich verleugnen mussten, weil wir dafür beschämt wurden, weil sie verboten waren oder wir für unsere Schwächen bestraft und ausgegrenzt wurden? Nur wenn wir wieder mit unserer eigenen weichen Seite‘ in Kontakt kommen, sind wir in der Lage dies in anderen wahrzuneh-men und zu verstehen.
„Ertragen will ich es, doch will ich es auch fühlen wie ein Mann.“ In Shakespeares Macbeth (4.Akt, 3. Szene) fand ich diese andere Perspektive. Statt Schmerzen, Trauer, Wut und Leiden einfach „herunterzuschlucken“ will der schottische Krieger McDuff den eigenen Schmerz nicht bloß passiv ertragen. Er stellt sich ihm – in ganzer Konsequenz – nicht alleine, sondern mit einem Begleiter! Er spürt, dass es keine wirkliche Stärke gibt, ohne auch schwach sein zu können, keine Nähe ohne Distanz, keine Freude ohne Leid. Statt diesen Teil seiner Psyche zu verdrängen, wendet er sich ihm zu und lernt ihn als Stärke und Antrieb nutzen. Diese Anteile sind in uns immer da. Sie wirken in unserem Gefühlsleben und in unserem körperlichen Erleben. Erst durch die Akzeptanz aller unserer Gefühle und die Integration von Gegenpolen wie Stärke und Schwäche, werden wir zu zufriedenen und selbstbewussten Männern:
„Der Wunsch der Männer nach Anerkennung, nach Gesehen- und Gefunden-Werden, der hinter den oft so gut verschlossenen Türen wartet, sollte im Therapieprozess unbedingt positiv genutzt werden. Bildhaft gesprochen sitzt hinter den Türen der innere Junge, der verletzt oder enttäuscht wurde, daraufhin weggelaufen ist, sich versteckt hat und schmollt, aber im Grund sehnlichst darauf wartet, gefunden zu werden, damit er endlich wieder am Spiel, am Leben teilnehmen kann. Schließlich ist der Sinn kindlichen Weglaufens in aller Regel nicht das Verstecken, sondern das Gefunden-Werden.“ (Neumann / Süfke: Den Mann zur Sprache bringen, S.71)
In Beratung, Coaching oder Therapie unterstütze ich Männer dabei, ihre eigene Klarheit zu entwickeln, d.h. einen Zustand der Integration zu erreichen, indem sie sich in Übereinstimmung mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Impulsen erleben können. Wir Männer sind keine ‚defekten Frauen‘. Unsere Schwierigkeiten und Problemlagen sind oft ähnlich wie die von Frauen, häufig jedoch auch ganz anders. Männern, die „es fühlen wollen wie ein Mann“, biete ich eine männerspezifische Herangehensweise in Beratung, Coaching oder Therapie.
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